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Das Kurzdarmsyndrom (KDS) mit Darmversagen

Eine seltene Erkrankung mit besonderen Herausforderungen

Als Kurzdarmsyndrom (KDS) wird ein Darmversagen nach ausgedehnter Resektion bezeichnet, wodurch aufgrund eingeschränkter Resorption die konventionelle Aufnahme von Nährstoffen und Flüssigkeit nicht mehr möglich ist.1 Früher wurde das KDS nach der Darmlänge definiert und bezeichnete einen Restdünndarm von weniger als 100 bzw. 150 cm.1 Inzwischen hat sich jedoch die funktionelle Definition durchgesetzt, da die resorptive Kapazität des Dünndarms auch von vielen weiteren Faktoren abhängig ist.

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Mit geschätzten 34 Fällen pro 1 Million Einwohner*innen in Deutschland ist das KDS eine seltene Erkrankung.2 Der Schweregrad der Erkrankung kann jedoch sehr hoch sein und bedarf aufgrund der Komplexität einer intensiven Betreuung durch ein interdisziplinäres Team, u.a. aus Fachleuten der Gastroenterologie, Chirurgie, Ernährungstherapie und spezialisierten Pflegekräften.

Klassifikation

Die drei Typen des Darmversagens – anhand der Funktion

Die Typen des Darmversagens nach der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM)-Leitlinie1 sind an die der European Society for Clinical Nutrition and Metabolism (ESPEN) angelehnt.3 Darmversagen kann als akut (vorübergehend oder reversibel) oder chronisch klassifiziert werden. Akut kann unterteilt werden in akut, kurzfristig (Typ I) und akut, anhaltend (Typ II). Patient*innen mit chronischer Darminsuffizienz befinden sich in einer potenziell nicht umkehrbaren Langzeitsituation (Typ III).3 Die drei KDS-Typen unterscheiden sich in ihren Komplikationen und der Regenerationsfähigkeit des Darms.1

Typ I: Selbstlimitiertes, passageres Darmversagen nach resezierender OP, das sich innerhalb von Tagen nach der OP regeneriert.1

Typ II: Septische und metabolische Komplikationen, Malabsorption/Mangelernährung infolge einer OP. Multidisziplinäre Betreuung einschließlich Ernährungstherapie ist notwendig, um Malabsorption und SIRS (Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom) zu überwinden und Rekonvaleszenz zu ermöglichen. Das Darmversagen regeneriert sich innerhalb von 48 Stunden bis 24 Monate nach der OP.1

Typ III: Chronisches Darmversagen mit der Notwendigkeit der weitgehenden/vollständigen parenteralen Flüssigkeitstherapie und Ernährung, da es sich auch nach Erreichen der maximalen Adaptation (> 24 Monate) nicht regeneriert.1

Die drei Typen des Kurzdarmsyndroms - anhand der postoperativen Anatomie1

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Der gesunde Darm gegenüber den postoperativen Anatomien nach Darmresektion
modifiziert nach Lamprecht et al., 2014

Nach einer Darmresektion und gegebenenfalls zusätzlichen chirurgischen Eingriffen werden drei Typen der postoperativen Anatomie unterschieden, die prädiktiven Einfluss auf die zu erwartende Adaptation haben.1 Zu diesen gehören:

  • Jejunoileokolonische Anastomose
  • Jejunokolonische Anastomose und
  • Endenterostomie1

Neben der Darmlänge spielen hier die verbliebenen Darmabschnitte und die Anatomie eine wesentliche Rolle für die zu erwartende Adaptation.1 Die Länge des verbliebenen Darms und das Vorhandensein von Kolon in Kontinuität erlauben dabei Rückschlüsse auf die Art der notwendigen nutritiven Supplementation.1

Ätiologie und Pathogenese

Ätiologie

Bei Erwachsenen geht eine Darmresektion meistens auf vaskuläre oder entzündliche Ursachen zurück. Bei Neugeborenen und Kindern stehen gastrointestinale Malformationen, Darmischämien und die nekrotisierende Enterokolitis im Vordergrund. Hinzu kommen in jedem Lebensalter Traumata.4,5

Lesen Sie hier mehr über die Ätiologie bei Kindern.

Ursachen des KDS bei Erwachsenen5

vaskuläre Ursachen Mesenterial-Arterieninfarkt
Mesenterial-Venenthrombose
Volvulus
Inkarzeration des Darms
 
entzündliche Ursachen Morbus Chron
Enteritis necroticans
Strahlenschäden
 
sonstige Ursachen Jejunaler Bypass
Resektion infolge eines Traumas

Bei fast 50 % der Patient*innen in der Berliner Kurzdarm-Sprechstunde geht das KDS auf einen Mesenterial-Arterieninfarkt, seltener auf eine venöse Thrombose zurück.5 Ein Mesenterialinfarkt gehört zu den kardiovaskulären Notfällen; die Letalität liegt bei 60-80 %. Die Erkrankung ist nur schwer zu erkennen und wird von einem rasanten Gewebezerfall begleitet.6 Je nach Verschlusstyp und Darmbefund kann der Mesenterialinfarkt in manchen Fällen konservativ behandelt werden, in anderen ist eine Operation mit Revaskularisation und/oder Resektion von Teilen des Darms notwendig.6

In manchen Fällen ist bei der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung Morbus Crohn (MC) nach wie vor eine chirurgische Therapie sinnvoll. Das ist insbesondere bei einem isolierten Ileozökalbefall mit hoher Krankheitsaktivität oder bei therapierefraktären Verläufen der Fall.7 Wiederholte Darmresektionen aufgrund des Morbus Crohn können also zu Kurzdarmsyndom führen. Die Zahl dieser Verläufe ist allerdings rückläufig, da moderne Therapieoptionen wie Biologika das chirurgische Eingreifen zunehmend ersetzen.8

Quantitativ nicht zu unterschätzen ist der Anteil der traumatisch bedingten Darmresektionen.4 So kann es bei Verkehrsunfällen durch beispielsweise Sicherheitsgurte zu stumpfen Bauchtraumata kommen, die schwere Verletzungen an Dick- und/oder Dünndarm nach sich ziehen und eine Resektion erfordern.9

Pathogenese

Folgende Faktoren beeinflussen die langfristige Auswirkung einer Resektion auf die Darmfunktion:10

  • Welche Abschnitte des Dünndarms reseziert werden.
  • Welche Länge die verbleibenden Dünndarmabschnitte haben.
  • Ob die Resektion auch das Kolon betrifft bzw. ein Kolon in Kontinuität vorliegt.
  • Ob die Ileozäkalklappe noch vorhanden ist.
  • Inwiefern die verbleibenden Darmabschnitte geschädigt sind.

Von diesen Voraussetzungen hängt ab, ob der verbleibende Darm sich ausreichend adaptieren und die Funktionen der resezierten Abschnitte übernehmen kann oder ob sich ein chronisches Darmversagen (Typ III) entwickelt.1

Krankheitsverlauf

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Der primäre pathophysiologische Mechanismus des Kurzdarmsyndrom-assoziierten Darmversagens ist die intestinale Malabsorption aufgrund der geringeren Absorptionsoberfläche und der schnelleren Darmpassage. Die erfolgreiche Rehabilitation von Betroffenen ist von der angemessenen Behandlung in den drei post-operativen Erkrankungsphasen beeinflusst.11

Nach einer Darmsekretion durchlaufen alle Betroffenen eine Phase der Hypersekretion, in der sie auf eine parenterale Flüssigkeits- und Nährstoff-Substitution angewiesen sind. Im gesunden Restdarm beginnen strukturelle als auch funktionelle Adaptationsvorgänge.1 Diese sind bei einer proximalen Dünndarmresektion stärker als bei einer distalen.13

In der Adaptationsphase verlängert sich die intestinale Transitzeit, die resorbierende Oberfläche vergrößert sich und die Enzymaktivität nimmt zu.12 Es sollte allmählich ein enteraler und oraler Kostaufbau versucht werden.1 Nach einigen Monaten, spätestens zwei Jahren, ist die Phase der körperlichen Anpassung in der Regel weitestgehend abgeschlossen.

Die stabile Phase beginnt, wenn die maximale intestinale Adaptation erreicht ist.1 Sie kann je nach Patient*in sehr unterschiedlich aussehen und

  • orale Autonomie,
  • parenterale Supplementierung oder
  • weitgehende bis vollständige Abhängigkeit von parenteraler Flüssigkeitstherapie und Ernährung (PE) umfassen.1

Prognose

Die Prognose, unabhängig von Alter und Schwere der Erkrankung, hängt hauptsächlich von der adäquaten Versorgung in der Akutphase ab.13 Vor allem die Erhaltung einer maximalen Darmlänge, die Verhinderung von Infektionen, die Aufrechterhaltung der Durchblutung und die Stabilisierung der Leber- und Nierenfunktion sind dabei von Bedeutung.13

Durch die Darmadaptation, aber auch durch medizinische Rehabilitationsprogramme kann das KDS-assoziierte chronische Darmversagen reversibel sein. Im Verlauf können Patient*innen von der PE entwöhnt werden. Eine solche Rehabilitation wurde bei etwa 50 % der erwachsene Patient*innen berichtet. Dabei war die Wahrscheinlichkeit für eine orale Autonomie bei gesundem Restdarm höher, wenn:

  • mehr als 35 cm Dünndarm mit einer jejuno-ilealen Anastomose, der Ileozökalklappe und einem intakten Dickdarm,
  • mehr als 60 cm Dünndarm mit einer jejuno-kolonische Anastomose oder
  • mehr als 115 cm Dünndarm mit endständiger Jejunostomie vorhanden waren.14

Das 10-Jahres-Überleben war bei Patient*innen, die orale Autonomie erlangten, signifikant höher als bei solchen, die PE-abhängig blieben.15

Lesen Sie hier mehr über den Krankheitsverlauf und die Prognose bei Kindern.

Lebensqualität der Betroffenen

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Die Folgen und Symptome des Kurzdarmsyndroms und auch die dauerhafte Abhängigkeit von parenteraler Ernährung können die Patient*innen auch psychisch erheblich beeinträchtigen. Körperliche Symptome wie Durchfall, Stomaprobleme, Bauchschmerzen und die KDS-bedingten Ungleichgewichte wie Mangelernährung, Dehydratation, unersättlicher Durst und das resultierende verringerte körperliche Energieniveau können eine starke Einschränkung darstellen. KDS-Patient*innen leiden häufig unter den Folgen eines veränderten Körperbildes, das durch die Notwendigkeit eines getunnelten zentralen Venenkatheters für die parenterale Ernährung und/oder eines eventuellen Stomas verursacht wird.16

Lesen Sie hier die Berichte von Betroffenen
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Die parenteralen Infusionen selbst können ebenso belastend sein, da sie häufig von Übelkeit, Muskelkrämpfen und Kopfschmerzen begleitet sind. Darüber hinaus folgt die Verabreichung von heimparenteraler Ernährung einem strikten Zeitplan, greift in die Privatsphäre ein, stört das Schlafmuster und ist zeitraubend. So werden Freizeit und soziale Aktivität der Patient*innen massiv eingeschränkt.16

Darüber hinaus besteht das Risiko von Komplikationen wie katheter-bedingten Blutbahninfektionen oder sogar Sepsis, thromboembolischen Ereignissen und chronischen Leber- oder Nierenerkrankungen. Die seelische Belastung, die mit den Symptomen und den verbundenen Ängsten einhergeht, können bei manchen Patient*innen zu Angstzuständen und Depressionen führen.16

Den Leidensdruck nachvollziehen – das In Their Shoes-Projekt

Das Kurzdarmsyndrom (KDS) ist eine äußerst komplexe Erkrankung, die weitreichende Auswirkungen auf (fast) alle Lebensbereiche von Betroffenen hat. Aufgrund des hohen Leidensdrucks haben Patienten nachweislich eine verminderte Lebensqualität. Um ein besseres Verständnis für die Auswirkungen eines KDS auf das Leben von Betroffenen zu bekommen, wurde das In Their Shoes-Projekt initiiert.

Hierbei handelt es sich um eine Simulation, die es Teilnehmern erlaubt für 24 Stunden in das Leben eines KDS-Patienten einzutauchen und hautnah mitzuerleben, welchen Herausforderungen sich dieser Tag für Tag stellen muss.

Entwickelt wurde diese Simulation zusammen mit Patienten, Pflegepersonal und Experten mit dem Anspruch, die Erfahrung möglichst realistisch und für Nicht-Betroffene nachvollziehbar zu gestalten. In dem Video berichten Teilnehmer der In Their Shoes-Simulation – die alle Bereiche des Versorgungsspektrums abdecken – von ihrer Erwartungshaltung vorab und wie das Projekt ihren Blick auf die Erkrankung verändert hat. Ärzte berichten darüber hinaus davon, welche Konsequenzen diese Erfahrung für ihre tägliche Praxis hat und welchen Einfluss dies auch auf den Umgang mit KDS-Patienten hat.

Erfahren Sie mehr dazu im Video.

Simulation "In Their Shoes - Kurzdarmsyndrom (KDS) verstehen" - Interview mit Professor Fürst

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KDS hat Einfluss auf viele Aspekte im Leben der Betroffenen

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Ein wichtiger Faktor bei der Erhebung der Lebensqualität von Patient*innen scheint hier die parenterale Ernährung zu sein. Studien zeigten einen klaren Zusammenhang des Volumens der Infusion mit der Lebensqualität der untersuchten KDS-Patient*innen.16,17 Eine Reduktion der parenteralen Ernährung im Rahmen eines medizinischen Rehabilitationsprogramms wirkte sich dabei positiv auf die gemessene Lebensqualität aus.17,18

Tipps für den Umgang mit KDS-Patient*innen

Ansätze, die Patient*innen helfen können, mit den Belastungen umzugehen:19

  • Schulungen für Betroffene zum selbstständigen Umgang mit der parenteralen Ernährung
  • Unterstützung durch Selbsthilfegruppen
  • Adäquate Therapie der physischen und psychischen Begleitsymptome
  • Entwöhnung oder Reduktion der parenteralen Ernährung

Eine Möglichkeit, KDS-Patient*innen bei ihren Ängsten und Herausforderungen zu unterstützen, bietet auch die Website www.leben-mit-kds.de. Hier finden Ihre Patient*innen fundierte Informationen rund um das KDS und die Behandlung, persönliche Geschichten und hilfreiche Links.

Testimonial Dario

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Dario lebt seit einer Tumorerkrankung mit nur noch 90 cm Darm und kennt die lebenseinschränkenden Konsequenzen, die ein Kurzdarmsyndrom mit sich führt. In diesem Video berichtet der Schweizer, welche Herausforderungen und Schwierigkeiten ihn seither begleiten.

Zum Video

Ernährungstherapie

Hinsichtlich des therapeutischen Vorgehens bei Darmversagen und KDS unterscheiden die DGEM-Leitlinien nicht nach Ursachen. Die verbliebenen Darmabschnitte und ihre Adaptionsfähigkeit bestimmen das Ausmaß der Malabsorption.1 Diese ist maßgeblich für die entsprechende Ernährungstherapie, die das Ziel hat, den Ernährungszustand und den Flüssigkeitshaushalt der Betroffenen zu korrigieren und zu erhalten.1 In jedem Behandlungsteam ist daher ein/eine Ernährungsberater*in und/oder ein/eine Diätassistentin von großer Wichtigkeit für die optimale Behandlung.3 Unterstützend für den Zustand der Patient*innen können pharmakologische Additiva, Wachstumsfaktoren und gegebenenfalls auch chirurgische Interventionen bis hin zu einer Darmtransplantation sein.

Die PE sollte den individuellen Voraussetzungen der Patient*innen angepasst werden, vor allem also an die Restfunktion der noch vorhandenen Darmabschnitte.1 Unabhängig davon spielt der zeitliche Verlauf nach der OP eine entscheidende Rolle. Grundsätzlich durchlaufen alle Betroffenen mit Kurzdarmsyndrom nach einer Dünndarmresektion die beschriebenen drei Phasen. Jede Phase stellt jeweils unterschiedliche Ansprüche an das Volumen und die Zusammensetzung der PE:

Hypersekretionsphase

Unmittelbar nach der Resektion müssen vor allem die hohen Flüssigkeits- und Elektrolytverluste durch Diarrhöen bzw. Stoma-Output ausgeglichen werden. Dies erfordert eine vollständige PE.1,20

Adaptationsphase

In der Adaptationsphase empfiehlt sich so schnell wie möglich ein vorsichtiger Aufbau der enteralen bzw. oralen Nahrungsaufnahme. Dies stimuliert die enterale Adaptation. Sind die Folge jedoch stärkere Durchfälle bzw. mehr Stoma-Output, muss die orale Ernährung ggf. wieder zurückgefahren werden.1

Stabile Phase

In der Stabilisierungsphase richtet sich das Ausmaß der oralen bzw. parenteralen Ernährung nach den stabilisierten Resorptionskapazitäten des Darms. Wenn möglich, sollte die orale Mischkost bis zum Zielbedarf täglich um 200 kcal gesteigert werden.1,20

Die benötigte Zusammensetzung der PE ist sehr individuell und hängt einerseits von der jeweiligen postoperativen Phase, andererseits von den individuellen Voraussetzungen der Patient*innen ab: Welche Darmabschnitte in welcher Länge noch vorhanden sind und wie ist es um deren Resorptionskapazität bestellt ist. Entsprechend macht die DGEM-Leitlinie wenig explizite Vorgaben und gibt insbesondere für Flüssigkeitsmenge und Elektrolyte lediglich Zielwerte zur Orientierung an.1 Ein engmaschiges Monitoring mit individueller Anpassung der PE bei Patient*innen mit Darmversagen ist demnach unerlässlich.

Zusammensetzung der parenteralen Ernährung beim Kurzdarmsyndrom mit Darmversagen1,21
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Zur langfristigen PE empfiehlt der Konsens einlumige, getunnelte zentralvenöse Katheter. Alternativ können auch implantierbare Portsysteme verwendet werden. Periphere zentralvenöse Katheter sind für eine Langzeit-PE jedoch ungeeignet.1

Die wichtigsten Therapieempfehlungen für die Ernährungstherapie bei chronischem Darmversagen wurden von der europäischen Gesellschaft für Ernährungsmedizin ESPEN in ihrer aktuellen Leitlinie (practical guide) zusammengefasst.3 Über das Kurzdarmsyndrom und die aktuelle Leitlinie informiert Sie Prof. Dr. Stephan C. Bischoff vom Institut für Ernährungsmedizin und Prävention der Universität Hohenheim in der zweiteiligen Fortbildung zum Kurzdarmsyndrom.

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Um KDS-Patient*innen während der Therapie bestmöglich unterstützen zu können, ist ein fundiertes Fachwissen und das Wissen um die komplexen Herausforderungen des Krankheitsbildes wichtig. Sind Sie Ernährungsberater*in, Ökotropholog*in oder Diätassistent*in? Auf unserem NurseCampus erhalten Sie weiterführende Informationen und zertifizierte Online-Kurse rund um das Thema Kurzdarmsyndrom.

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Pädiatrie

Das KDS kann auch Kinder und Jugendliche betreffen. Mit einer geschätzten Inzidenz von 0,02 % bei Lebendgeburten ist KDS bei Kindern eine seltene Erkrankung, die jedoch eine ernste Gefahr für Leben und Entwicklung mit sich bringt.22

Das pädiatrische Kurzdarmsyndrom weicht in der Ätiologie von dem adulten ab. Die wichtigsten Ursachen für eine ausgedehnte Darmresektion im Kindesalter sind:23

Prenatal

  • Malrotation mit Volvulus
  • Darmatresie (Apple-Peel-Syndrom)
  • Morbus Hirschsprung
  • Gastroschisis

Postnatal

  • Nekrotisierende Enterokolitis (NEC)
  • Volvulus des mittleren Darms
  • Gefäßthrombose
  • Tumor
  • Traumata

Das Ernährungsmanagement, die pflegerische Versorgung und die Prävention von Komplikationen können bei Säuglingen und Kindern ausgesprochen komplex sein.23

Ein KDS-bedingtes chronisches Darmversagen ist auch bei Kindern mit zahlreichen sekundären Risiken behaftet, darunter Wachstumsstörungen, metabolische Störungen, Osteopathien und Lebererkrankungen. Dazu kommen katheter-assoziierte Komplikationen, insbesondere Infektionen, die durch die Langzeit-Abhängigkeit von parenteraler Ernährung begründet sind.23

Die Adaptationsfähigkeit des Darmes ist bei Neugeborenen und Kindern ausgesprochen hoch, nicht zuletzt, weil sich die Organe noch in der Wachstumsphase befinden.24 Die Wahrscheinlichkeit für eine Rehabilitation des chronischen Darmversagens wird bei Kindern auf bis zu 73 % geschätzt.14 Neugeborene können noch bei einer Ausgangsdarmlänge von 15 bis 40 cm eine vollständige intestinale Rehabilitation und orale Autonomie erreichen. Doch auch die Überlebensraten von pädiatrischen Patient*innen, die eine dauerhafte parenterale Ernährung benötigen, haben sich in den letzten Jahrzehnten verbessert.23

Neben der zugrundeliegenden Diagnose spielen für die Prognose, wie bei Erwachsenen, die anatomischen Gegebenheiten, also die noch vorhandenen Darmsegmente eine wichtige Rolle. Hier sind vor allem die Erhaltung der Ileozökalklappe und des Kolon bzw. der Wiederherstellung der Kolon-Kontinuität bedeutsam. Darüber hinaus kann auch das Alter des Kindes und die Anzahl der operativen Eingriffe einen Einfluss auf die Prognose haben.23

1. Lamprecht G et al., AWMF-Leitlinien-Register Nr. 073/026. Aktuel Ernährungsmed 2014; 39: e57–e71.

2. Von Websky MW et al. Chirurg 2014; 85(5): 433-9.

3. Cuerda C, Pironi L, Arends J et al. Clinical Nutrition 2021; 40:5196-5220.

4. Gerok W et al. Die innere Medizin - Referenzwerk für den Facharzt. Schattauer, Stuttgart 2007

5. Dignass A et al. TransplantLinc 2005; 11: 4-13.

6. Luther B. Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie (DGG): Akuter Intestinalarterienverschluss. Stand: 2008.

7. Sturm A, Stallmach A et al., Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS): Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn. AWMF-Leitlinien-Register Nr. 021-004. Stand: 2021.

8. Rink AD et al. Int J Colorectal Dis 2014; 29(1): 127-132.

9. Mukhopadhyay M et al. Oman Med J 2009; 24(4): 256-259

10. Hoffmann JC et al. Chronisch entzündliche Darmerkrankungen: das CED-Handbuch für Klinik und Praxis. Thieme, Stuttgart 2004.

11. Guillen B, Atherton NS. Short Bowel Syndrome. StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2022.

12. Tappenden KA. J Parenter Enteral Nutr 2014; 38(1 Suppl): 23S-31S.

13. Lauro A, Lacaille F. Expert Review of Gastroenterology & Hepatology 2019; 13(1):55-70.

14. Pironi L. Best Practice & Research Clinical Gastroenterology 2016; 30:173-185.

15. Amiot A et al. Clin Nutr 2013; 32(3): 368-374.

16. Nordsten CB et al., JPEN J Parenter Enteral Nutr. 2021; 45(5):926-932.

17. Jeppesen PB et al., Clin Nutr. 2013; 32(5):713-21.

18. Chen K et al., JPEN J Parenter Enteral Nutr. 2020; 44:119–128.

19. Winkler MF, Smith CE. J Parenter Enteral Nutr 2014; 38(1 Suppl): 32S-37.

20. Schulz M et al. Transplant Linc 2005; 11: 14-28.

21. Hagemann O et al. Laborlexikon.de, Stand 2014.

22. Wales PW et al. Semin Pediatr Surg 2010; 19: 3-9.

23. Goulet O et al., Pediatr Gastroenterol Hepatol Nutr. 2019; 22(4):303-329.

24. Goulet O. J Nutr 1998; 14: 784–787.