Grundlagen der CED

Die optimale Betreuung von Patienten mit chronisch-entzündlicher Darmerkrankung (CED) erfordert ein fundiertes Verständnis der Erkrankung, ihrer Auswirkungen auf den Patienten und die zur Verfügung stehenden Therapieoptionen. Sie finden an dieser Stelle daher die wichtigsten medizinischen Hintergrundinformationen zu Morbus Crohn und Colitis ulcerosa zusammengefasst. 

Was passiert bei einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED)?

Die Darmschleimhaut hat eine wichtige Schutzfunktion: Sie sorgt dafür, dass Bakterien und andere Keime nicht vom Darminneren durch die Darmwand in den Blutkreislauf gelangen können. Bei Menschen mit CED ist diese Funktion nicht intakt. Das heißt, die Schleimhautwand des Darms, die normalerweise diese wichtige Barriere zwischen Darminhalt und Organismus darstellt, ist durchlässig. Bakterien und andere Fremdstoffe können in die Darmwand eindringen und dort eine Abwehrreaktion des Immunsystems auslösen. Bei Morbus Crohn kann der ganze Verdauungstrakt entzündet sein, meist ist aber der Übergang vom Dünn- zum Dickdarm betroffen. Bei Colitis ulcerosa ist vor allem die oberste Schicht des Dickdarms entzündet. Tiefere Darmschichten bleiben – anders als beim Morbus Crohn – unberührt.4,5

Die genauen Ursachen der CED sind nicht bekannt. Es wird eine Fehlfunktion im Zusammenspiel des Immunsystem des Darms mit der bakteriellen Darmflora vermutet.4 Das Eindringen gewöhnlicher Darmbakterien in die Darmschleimhaut führt wahrscheinlich zu einer überschießenden Immunreaktion. Immunzellen haben das Gewebe infiltriert und produzieren fortgesetzt Entzündungsbotenstoffe. Dabei richtet sich das Immunsystem auch gegen das gesunde Gewebe. Zusätzlich zu den klassischen Zeichen der Entzündung entwickelt sich aufgrund des Zelluntergangs und der reaktiven Gewebeveränderungen eine fortschreitende Zerstörung des betroffenen Organs. Zahlreiche entzündungsfördernde Botenstoffe verhindern, dass die Abwehrreaktion wieder abklingt, wie es normalerweise bei gesunden Menschen der Fall ist. Das Immunsystem kommt nicht zur Ruhe.5

Wie werden Morbus Crohn und Colitis ulcerosa diagnostiziert?8

Anamnese

  • Beginn, Art und Verlauf der Symptomatik

  • Reiseanamnese; vorherige Kontakte mit infektiöser Durchfallerkrankung

  • Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten

  • Impfstatus, Raucher

  • Familienanamnese

  • Medikamente (insbes. Antibiotika, NSAR)

  • Extraintestinale Manifestationen, Abszesse, Fisteln, Fissuren

Körperliche Untersuchung

  • Abdomen (Bauchschmerz, Abwehrspannung, Darmgeräusche)

  • Orale und perianale Inspektion

  • Extraintestinale Manifestationen (Mund, Haut, Augen, Gelenke)

Bildgebung

  • Endoskopie: u. a. Ausdehnung der Erkrankung, Überwachung (Krebsrisiko)

  • Hochauflösende abdominelle Sonografie: Entzündungsaktivität

  • Weitere Bildgebung bei ausgewählter Fragestellung, z. B. MRT zur Beurteilung des Dünndarms, Abszesse, Fisteln

Labor

  • Blut: Blutbild, Entzündungsstatus (CRP), Eisenhaushalt, Nierenfunktion, Transaminasen und Cholestaseparameter, regelmäßiger Mikronährstoff-Status

  • Stuhl: Calprotectin als Neutrophilenmarker (v. a. bei CU), intestinale Infektion (inkl. Clostridium difficile; ggf. landestypische Erreger bei kürzlichen Reisen)

Histopathologische Diagnostik

  • Differentialdiagnose, Entzündungsaktivität, intraepitheliale Neoplasie/Dysplasie

Wie unterscheiden sich Colitis ulcerosa und Morbus Crohn?

Entzündungsgeschehen

Morbus Crohn: transmurale, diskontinuierliche Entzündung

Colitis ulcerosa: oberflächliche Entzündung

Darminnenseiten

Befallsmuster

Morbus Crohn: Die Entzündung kann den gesamten gastrointestinalen Trakt betreffen (Mund bis After)

Colitis ulcerosa: Die Entzündung betrifft den Dickdarm

Befallsmuster

Mögliche Symptome6

Morbus Crohn

  • Breiige/wässrige Durchfälle meist ohne Blut

  • Oft Bauchschmerzen, häufig im rechten Unterbauch

  • Befalls des Colons/Rektums – Blutbeimengungen, Tenesmen, imperativer Stuhldrang, Inkontinenz

Colitis ulcerosa:

  • Blutige Durchfälle, häufig nur Blut/Schleim

  • Bauchschmerzen, eher im linken Unterbauch

  • Tenesmen, imperativer Stuhldrang, nächtliche Defäkation

Beide:

  • Symptome einer Mangelversorgung (Vitamine, Elektrolyte etc.)

  • Eisenmangelanämie, Müdigkeit, Fatigue/Erschöpfung

  • Gewichtsverlust

  • Fieber

Mögliche Komplikationen7

Morbus Crohn:

  • Engstellen (Stenosen, Strikturen, Ileus)

  • Fisteln

  • Abszesse

  • Chronischer Blutverlust

  • Perforation

  • Erhöhtes Darmkrebsrisiko (bei Befall des Colons)

Colitis ulcerosa:

  • Schwere Blutungen

  • Pseudopolyposis

  • Erhöhtes Darmkrebsrisiko (insbes. bei großer Ausbreitung, primär sklerosierende Cholangitis)

  • Strikturen (potentiell maligne)

  • Toxisches Megakolon evtl. mit Perforation

Akute Komplikationen treten heute bei beiden Erkrankungen seltener auf.

Was passiert bei einer Entzündung?

Die Entzündung ist ein Schutzmechanismus des Körpers. Ihre komplexen Abläufe verteidigen unseren Körper gegen Krankheitserreger und Fremdkörper und eliminieren geschädigte Zellen. Klassische Entzündungszeichen sind Rötungen, Schwellungen, Überwärmung, Schmerzen und funktionelle Einschränkungen. Botenstoffe des Immunsystems bewirken dabei eine Erweiterung der Blutgefäße, sodass das Entzündungsgebiet stärker durchblutet wird. Außerdem werden die Gefäße durchlässiger für den Austritt von Blutplasma und Immunzellen ins Gewebe.1 Alle an bestimmten Orten ablaufenden Immunreaktionen werden als Entzündung bezeichnet.

Das Immunsystem und seine Aufgaben

Das Immunsystem besteht aus einem Netzwerk verschiedener Organe und Gefäßsysteme wie den Lymph- und Blutgefäßen, aber auch aus einzelnen Zellen und Eiweißkörpern. Diese spüren im gesamten Körper Fremdstoffe, Krankheitserreger und defekte Zellen auf und entfernen sie. Die Zellen des Immunsystems erkennen einzelne körperfremde Moleküle, die als Antigene bezeichnet werden.

Hierbei handelt es sich um große Moleküle sowie Oberflächenstrukturen von Fremdpartikeln.2

Man unterscheidet zwei Abwehrmechanismen des Immunsystems. Die unspezifische, angeborene Immunabwehr und die spezifische, erworbene Immunabwehr. Beide Abwehrmechanismen sind eng miteinander verzahnt.1

Die angeborene Immunabwehr

Dringen Erreger in den Körper ein, werden Zellen des Immunsystems aktiv. Die unspezifische, angeborene Immunabwehr reagiert schnell und unabhängig vom Erreger. Ihre Zellen zirkulieren fortlaufend in den Blutgefäßen und kommen in den Geweben des Körpers vor.2

Dazu gehören die neutrophilen Granulozyten, die Monozyten, die Makrophagen (auch Fresszellen genannt) und die dendritischen Zellen. Sie können durch Aufnahme und Verdauung Erreger vernichten. Durch die Produktion von Botenstoffen locken sie andere Abwehrzellen zum Ort der Entzündung. Zusätzlich präsentieren sie den Zellen der erworbenen Immunabwehr an ihrer Oberfläche Bruchstücke der Erreger.3 Auch die natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) sind Teil der angeborenen, unspezifischen Immunabwehr. Sie können infizierte Zellen vernichten, ohne vorher mit dem Krankheitserreger in Kontakt gewesen zu sein.1

Die erworbene Immunabwehr

Die spezifische oder erworbene Immunabwehr zeichnet sich durch die Anpassungsfähigkeit gegenüber neuen Krankheitserregern aus. Im Rahmen dieser Anpassung sind die Zellen in der Lage, gezielt Abwehrmechanismen und Antikörper zu bilden. 

Zwei Gruppen von Zellen gehören zu den wesentlichen Elementen der erworbenen Immunität:

  • T-Lymphozyten wandern durch den Organismus und überwachen die Körperzellen ständig auf krankhafte Veränderungen. Aufgabe dieser Immunzellen ist es, zwischen körpereigenen und körperfremden Strukturen zu unterscheiden. Wenn eines der Moleküle auf der Oberfläche einer kranken Zelle exakt zum individuellen Rezeptor eines T-Lymphozyten passt, geht dieser in den aktivierten Zustand über. Bei Kontakt mit einem Fremdkörper entwickeln sich die T-Lymphozyten zu sogenannten T-Effektorzellen (T-Zytotoxische Killerzellen und die T-Helferzellen) oder zu langlebigeren T-Gedächtniszellen, die auch nach Jahren noch einen Fremdkörper bei erneutem Eindringen erkennen.2

  • B-Lymphozyten besitzen auf der Zellmembran Rezeptoren, die Oberflächenstrukturen z. B. von Viren oder Bakterien erkennen können. Bei Kontakt mit einem Fremdkörper entwickelt sich ein Teil der B-Lymphozyten zu sogenannten Plasmazellen, deren Aufgabe es ist, Antikörper gegen diese Oberflächenstrukturen des Fremdkörpers (Antigen) zu bilden. Antikörper bilden mit dem entsprechenden Antigen einen Antigen-Antikörper-Komplex. Viele Antigene verlieren mit der Bindung bereits ihre schädigende Wirkung – sie sind dann neutralisiert. Nach der Infektion bleiben spezifische Antikörper erhalten, um bei erneutem Kontakt mit dem Krankheitserreger binnen kurzer Zeit eine angemessene Immunreaktion zu ermöglichen.2

Die Rolle der Botenstoffe des Immunsystems

Die Zusammenarbeit der Zellen des Immunsystems ermöglicht die Überwachung des Körpers und den Aufbau einer Immunantwort. Die Kommunikation der Immunzellen erfolgt über das Blut oder die Lymphe entweder durch direkten Kontakt miteinander oder wird durch eine Gruppe löslicher Botenstoffe, den Zytokinen, ermöglicht. 

Zytokine werden von verschiedenen Immunzellen nach Aktivierung freigesetzt und können auf die freisetzende Zelle selbst, auf benachbarte Zellen oder auf weit entfernt liegende Zellen Einfluss nehmen. Dabei handelt es sich um Eiweißstoffe, die ihre Botschaft über Rezeptoren auf der Oberfläche der Zielzellen vermitteln. Zu diesen gehören

  • Interleukine (IL)

  • Tumornekrosefaktoren (TNF)

  • Wachstumsfaktoren (GF, englisch: Growth Factor)

  • Interferone (IFN)

Zytokine können Immunantworten anregen oder hemmen, indem sie die Abwehr von Krankheitserregern steuern und koordinieren. Sie sind demnach mitverantwortlich dafür, dass eine Immunreaktion erfolgreich abläuft.1

Die chronische Entzündung

Im Normalfall klingt eine Entzündung nach Beseitigung des schädigenden Stoffs wieder ab und das Gewebe heilt. Manchmal reguliert sich der Entzündungsprozess jedoch nicht wieder herunter. Wie ein Schwelbrand besteht die inflammatorische Aktivität fortEs entsteht eine chronische Entzündung im Körper. Unter dem Sammelbegriff chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED) werden Krankheitsbilder zusammengefasst, die sich durch schubweise oder kontinuierlich auftretende, entzündliche Veränderungen des Darms auszeichnen.3,4

Welche Therapieoptionen gibt es? 8

Individuelles Therapieziel   

(z. B. schnelle und langfristige Symptomfreiheit, steroidfreie klinische und endoskopische Remission, Vermeidung von Komplikationen und irreversiblen Schäden, wirksame Therapie mit akzeptablem Nutzen-Risiko-Verhältnis, Lebensqualität, Arbeitsfähigkeit (Beruf, Ausbildung, Studium, Schule), Teilhabe am sozialen Leben, persönliche Meilensteine des Patienten)

  • Medikamente (Aminosalicylate, Steroide, klassische Immunsuppressiva, Biologika, JAK-Inhibitoren)

  • Ergänzende Therapien
    (z. B. Schmerz-, Ernährungs- (insbes. MC), komplementäre Therapie, pychologische Hilfe)

  • Operationen

„Treat to Target“9,10

  • Zeitnahes Monitoring des Therapieerfolges

  • Ggf. Anpassung der Therapie

Referenzen
  1. Keikawus A et al. Duale Reihe: Innere Medizin. Thieme Verlag Stuttgart 2013; 3.Auflage. DOI: 10.1055/b-0034-62853. 

  2. 5. Wittig BM et al. Med Welt 2005; 56: 313–318

  3. .  8. Adaptiert nach Kucharzik T et al. Z Gastroenterol 2018, 56: 1087 – 1169 sowie nach Preiß JC et al. Z Gastroenterol 2014; 52: 1431 – 1484

  4. 6. Adaptiert nach Stange EF: Entzündliche Darmerkrankungen. Schattauer, 2015, S. 121 f, 177 ff sowie nach

  5. 1. Rink L et al. Immunologie für Einsteiger. Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2012.

  6. 2. https://www.krebsinformationsdienst.de

  7. 3. Peyrin-Biroulet L et al. Am J Gastroenterol 2015; 110(9): 1324–1338 

  8. 4. Keikawus A et al. Duale Reihe: Innere Medizin. Thieme Verlag Stuttgart 2013; 3.Auflage. DOI: 10.1055/b-0034-62853

  9. 8.  Adaptiert nach Kucharzik T et al. Z Gastroenterol 2018, 56: 1087 – 1169 sowie nach Preiß JC et al. Z Gastroenterol 2014; 52: 1431 – 1484

  10. 9. Adaptiert nach Peyrin-Biroulet L et al. Am J Gastroenterol 2015; 110: 1324 – 1338

  11. 10. Adaptiert nach Colombel J-F et al. Gastroenterol 2017; 152: 351 - 361

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