Perianale Fisteln bei Morbus Crohn – eine häufige Komplikation

Menschen mit der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung Morbus Crohn leiden häufig auch unter Fisteln. Fistelbildungen sind meistens Ausdruck eines komplizierten Krankheitsverlaufs des Morbus Crohn und beeinträchtigen zusätzlich die Lebensqualität der betroffenen Patienten.

Morbus Crohn ist eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung, die den gesamten Gastrointestinaltrakt von Mund bis Anus befallen kann. Am häufigsten betroffen sind im Dünndarm das Ileum und das Kolon. Symptome des Morbus Crohn sind abdominale Schmerzen, Fieber oder häufige Durchfälle, oft mit Blut und/oder Schleim im Stuhl.1

Als Auslöser werden wiederkehrende transmurale Entzündungen beschrieben, die zu einer Zerstörung der Darmmukosa führen können.2 Diese chronischen oder intermittierenden Entzündungen sind mit einer Reihe weiterer Komplikationen verbunden, wie quantitative Mangelernährung, Fissuren, Abszesse, Fisteln oder Ileus.2,3

Klinik

Perianale Fisteln sind eine häufige Begleiterscheinung von Morbus. Bei ca. 10% der Patienten gehören perianale Fisteln zur Erstmanifestation eines Morbus Crohn und bei bis zu 28% der Morbus Crohn-Patienten treten perianale Fisteln innerhalb der ersten zwei Dekaden nach Diagnose auf.4-8

Klassifikation

Fisteln sind pathologische, röhrenförmige Verbindungen zwischen zwei Hohlorganen bzw. einem Organ und der Körperoberfläche. Die häufigste Form der Fisteln bei Morbus Crohn sind perianale Fisteln. Diese Gänge haben eine oder mehrere interne Öffnungen. Die externen Öffnungen liegen in der Haut in der Umgebung des Afters. Perianale Fisteln sind gekennzeichnet durch Schmerzen, dem unkontrollierten Ausfluss von Flüssigkeit, Eiter und Stuhl und einer damit verbundenen massiven Einschränkung der Lebensqualität der betroffenen Patienten. Es können Infektionen und Abszesse auftreten, die medikamentös oder chirurgisch behandelt werden müssen.3,9

Für perianale Fisteln werden verschiedene Klassifikationen vorgeschlagen.

Die Klassifikation nach Parks unterscheidet perianale Fisteln hinsichtlich ihres Verlaufs und ihrer Lage zu den Schließmuskeln:10

  • Typ I: Intersphinktäre Fistel
  • Typ II: Transsphinktäre Fistel
  • Typ III: Suprasphinktäre Fistel
  • Typ IV: Extrasphinktäre Fistel
  • Typ V: Subkutane / subanodermale / submuköse Fistel

Anatomie des Fistelgangs

Die „American Gastroenterological Association (AGA)“ unterscheidet zusätzlich zwischen einfachen und komplexen Fisteln. Beide werden nach Verlauf des Fistelgangs, der Anzahl externer Öffnungen, der Präsenz von Abszessen und/oder einer Proktitis sowie einer Beteiligung anderer Organe unterschieden.11

70-80% der perianalen Fisteln bei Morbus Crohn sind komplexe Fisteln im Sinne der AGAKlassifikation.7,11,13,14 Komplexe perianale Fisteln sind mit konventionellen Behandlungsmethoden schwer zu therapieren.1,7,16 Wegen des Risikos einer Stuhlinkontinenz dürfen sie in der Regel auch nicht chirurgisch gespalten werden.16

Pathogenese

Die Pathophysiologie perianaler Fisteln bei Morbus Crohn ist noch nicht vollständig geklärt.8

Aktuelle Modelle gehen davon aus, dass der Prozess der epithelial-mesenchymalen Transition (EMT) von entscheidender Bedeutung ist. Bei der EMT wandeln sich intestinale Epithelzellen zu Zellen eines mesenchymalen Zelltyps. Diese Myofibroblasten oder Transitionszellen zeigen mesenchymale wie auch epitheliale Eigenschaften. Sie können in tiefer liegende Gewebeschichten einwandern und Fistelgänge ausbilden.8

Ursache für die Transformation der intestinalen Epithelzellen ist wahrscheinlich eine gestörte Barrierefunktion aufgrund der entzündlichen Darmerkrankung.17 Bakterielle Strukturen (Pathogenassociated molecular patterns, PAMPs), wie etwa das Muramyl-Dipeptid (MDP), sind dann in der Lage, in die Darmmukosa einzudringen.8,17

Daraufhin setzen sowohl Wundheilungsprozesse als auch eine Immunantwort ein: T-Helferzellen, Makrophagen sowie Neutrophile lösen über verschiedene Zytokine eine Entzündungskaskade aus. Der Tumornekrosefaktor TNF-α, der Transforming Growth Faktor TGF-β sowie Interleukin IL-13 und β6-Integrin werden vermehrt ausgeschüttet. Sie induzieren die Transformation der Epithelzellen. Durch das Herunterregulieren von epithel-spezifischen Proteinen lösen sich die Kontakte zwischen den Zellen weitgehend auf und ein Verlust der Polarität folgt. Die verstärkte Bildung bestimmter Matrix-Metalloproteinasen (MMP) im entzündeten Gewebe begünstigt einen Abbau der extrazellulären Matrix und die Umwandlung zu den invasiven Transitionszellen (Myofibroblasten). Am Ende dieses Prozesses steht die Bildung von Fistelgängen, die sowohl von verbliebenen Epithelzellen als auch von den Transitionszellen ausgekleidet sind.8,15

Pathogenese perianaler Fisteln bei Morbus Crohn

Leidensdruck der Patienten

Für Patienten, die an perianalen Fisteln leiden, entstehen erhebliche Einschränkungen in unterschiedlichsten Lebensbereichen. Die Krankheit hat sowohl Auswirkungen auf das private als auch das berufliche Leben. Vor allem die damit verbundenen Schmerzen und die unkontrollierbare Fistelsekretion sind äußerst belastend im Alltag und nehmen den Betroffenen ein Stück Lebensqualität. Aufgrund vieler Fehltage im Beruf gilt man als weniger belastbar, in der Freizeit

werden Treffen mit Freunden oft abgesagt und alltägliche Unternehmungen, wie Schwimmbad- oder Saunabesuche werden aus Scham gemieden. Auch Sexualität und Kinderwunsch werden durch die Erkrankung beeinflusst. Dies bedeutet für die Patienten eine große psychische Belastung; sie sind wütend, traurig und gereizt. Aus Scham und Ekel vor sich selbst, sprechen die Betroffenen nicht offen über ihre Krankheit, was zu erhöhter Frustration und Hilflosigkeit führt. Die Unterstützung, Rücksicht und das Verständnis des Partners und der Familie können den Patienten im Umgang mit ihrer Krankheit enorm helfen und sind ein wichtiger Aspekt der Versorgung.18 Die Betroffenen müssen Wege finden, die Krankheit zu akzeptieren und in enger Zusammenarbeit mit ihren Ärzten eine individuelle Therapieentscheidung treffen.

Einschränkungen durch perianale Fisteln

Von Patienten wahrgenommene Symptome und Emotionen:18

  • Schmerzen
  • Wut
  • Trauer
  • Scham
  • Ekel

  1. Baumgart DC and Sandborn WJ. Lancet. 2012;380(9853):1590-605.
  2. Taxonera C et al. World J Gastroenterol. 2009;15(34):4263-72.
  3. Tozer PJ et al. Inflamm Bowel Dis. 2009;15(10):1591-8.
  4. Schwartz DA et al. Gastroenterol. 2002;122:875-80.
  5. Hellers G et al. Gut. 1980;21:525-27.
  6. Eglington TW et al. Dis Colon Rectum. 2012;55:773-7
  7. Siegmund B et al. J Crohns Colitis. 2016;10:377-86
  8. Panés J et al. Lancet. 2016;388(10051):1281-90
  9. Gomollón F et al. J Crohns Colitis. 2017;11(1):3-25.
  10. Parks AG et al. Br J Surg. 1976;63:1-12
  11. American Gastroenterological Association (AGA). Gastroenterol. 2003;125(5):1508-30
  12. Panés J and Rimola J. Nat Rev Gastroenterol Hepatol. 2017;14:652-64
  13. Bell SJ et al. Aliment Pharmacol Ther. 2003;17:1145-51
  14. Molendijk I, et al. Inflamm Bowel Dis. 2014;20:2022-8
  15. Frei SM, et al. Inflamm Bowel Dis. 2013;19:2878-87
  16. Preiß JC et al. Z Gastroenterol. 2014;52:1431-84
  17. Scharl M et al. Gut. 2013;62:63-72
  18. Patient Online Survey von Takeda – MROC mit CED-Patienten; 15.08.2018 durchgeführt von IFAK in Kooperation mit respondi (Köln) [DCMPC1]

Materialien

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

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