Zuletzt aktualisiert: Lesezeit:

1. Mai
2022

Transition: zwischen Pädiatrie und Erwachsenenklinik

In Deutschland haben etwa 14 % der Kinder und Jugendlichen, die unter einer chronischen Gesundheitsstörung leiden, einen besonderen Bedarf in der Versorgung.1 Gerade der Zeitraum zwischen dem 12ten und 24ten Lebensjahr ist eine Phase wichtiger Meilensteine im Leben eines jungen Menschen.2, 3 In dieser Zeit findet körperliches, kognitives und emotionales Wachstum, die Abnabelung von den Eltern und die Entwicklung der Sexualität statt.2, 3 Kommt nun eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung hinzu, wird die Situation deutlich komplexer und schwieriger für alle Beteiligten.

Denn Erkrankungen wie CED können die physische, psychische, emotionale und soziale Entwicklung der Patient*innen beeinflussen.2 Zu allem Überfluss steht auch noch der Wechsel von der Kinder- und Jugendgastroenterologie hin zur Gastroenterologie für Erwachsene an.3 Dieser Schritt bedeutet in der Regel nicht nur ein neues Team aus Behandler*innen, sondern noch sehr viele weitere Aspekte. Den jungen Erwachsenen begegnet plötzlich ein anderes Versorgungssystem, das in erster Linie auf Erwachsene und nicht auf die Bedürfnisse von Jugendlichen oder jungen Erwachsenen eingestellt ist.2 Dieser Prozess wird Transition genannt.2,3 Er beschreibt grob gefasst den Übergang der Patient*innen von der Pädiatrie in die Erwachsenenklinik. Aber warum ist das Thema Transition relevant und wie könnte eine optimale Transition erreicht werden?

Warum ist Transition so wichtig?

Bei der Transition findet ein Wechsel von der Kontrolle durch die Eltern hin zur Selbstkontrolle eines jungen Erwachsenen statt.3 Dabei ist das Alter an sich bereits ein Risikofaktor, wie eine Studie zeigte.4 Bei jungen Erwachsenen war die Therapietreue um das 6-fache niedriger als bei Erwachsenen und das obwohl CED bei Jugendlichen oft stärker ausgeprägt, komplexer und progressiver als bei Erwachsenen ist.2,4-7 Zudem ist die Medikation und Dosierung in der Erwachsenenklinik nicht auf junge Erwachsene ausgelegt, da in den meisten klinischen Studien keine Kinder oder Jugendlichen mit eingeschlossen sind.2 Ein wichtiger Punkt, denn zu vielen Medikamenten die bei ausgewachsenen Patient*innen eingesetzten werden, gibt es bisher kaum Daten zu altersspezifischen Nebenwirkungen und Einflüssen auf die Wachstumsgeschwindigkeit oder Fruchtbarkeit, so der Referent.

Abbildung: Umstände während der Transition von Pädiatrie hin zu Erwachsenenklinik2

Mit einer suboptimalen Transition können auch Risiken wie eine Verschlechterung der Erkrankung und Lebensqualität sowie psychologische und emotionale Probleme verbunden sein, so der Referent.2,8 Problematisch ist, dass die Fachkräfte und das Versorgungssystem für Erwachsene meist nicht auf die Bedürfnisse und Umstände der jungen Erwachsenen eingestellt sind.2 Um den Übergang von Pädiatrie zur Gastroenterologie für Erwachsene so risikolos wie möglich zu gestalten, braucht es eine gute Transition, resümiert der Referent.

Was können wir tun um eine optimale Transition zu gewährleisten?

Eine Studie der ECCO zeigte, dass 40 % der Ärzte in Europa kein formelles Transitionsprogramm haben.8 Aber warum ist das so? Eine Ursache könnte fehlendes Wissen um die Wichtigkeit von Transition auf Grund von mangelnder Kommunikation zwischen Pädiater*innen und Gastroenterolog*innen sein. In einer Befragung gaben rund 79 % der pädiatrischen, aber nur 47 % der Gastroenterolog*innen für Erwachsene an, dass ihnen Transition wichtig ist.9 Pädiater seien meist nicht Teil des interdisziplinären Teams in der Erwachsenenklinik und könnten ihr Wissen nicht teilen, so eine Teilnehmerin. Zudem könnte es den Gastroenterolog*innen an Zeit, freien Ressourcen und Fortbildungen in der Jugendmedizin mangeln, so der Referent.9 Dabei deutet Evidenz aus anderen medizinischen Indikationen darauf hin, dass ein sorgfältig erarbeiteter Plan zur Transition die Ergebnisse für die Patient*innen verbessern kann.10 Eine Optimierung der Transition basiert auf vier wesentlichen Aspekten, erklärt der Referent:8

  1. Wissen über CED bei Patient*innen aufbauen
  2. Fähigkeiten zum Selbstmanagement entwickeln
  3. Beteiligung und Einfluss von Eltern an Entscheidungen verringern
  4. Fortschritt des Transitionsprozesses messen

Die Transition sei ein gradueller Prozess und jeder/jede Patient*in habe, unabhängig vom biologischen Alter, einen anderen Wissensstand, unterschiedlich weit entwickelte Selbstmanagementfähigkeiten und Abhängigkeiten vom sozialen Umfeld, so der Referent. Das biologische Alter sei nicht entscheidend, bestätigt auch eine Teilnehmerin. Junge Patient*innen können durchaus mehr über ihre Erkrankung wissen und mehr Selbstmanagementfähigkeiten besitzen als deutlich ältere Patient*innen.

Praktische Tipps des Referenten für eine bessere Transition

  • Kommunikation zwischen erwachsenen und pädiatrischen Teams sicherstellen
  • Versorgungsmodell an die lokalen Umstände anpassen
  • Transitionskoordinator*in benennen (z. B. CED-Fachassistenz)
  • Flexibilität beim Versorgungsansatz und in der zeitlichen Planung haben
  • Altersgerechte Schulung der Patient*innen gewährleisten
  • Überwachung des Fortschrittes und sofern nötig, Anpassung des Versorgungsmodells
  • Einbindung von Eltern und Patient*innen in den Prozess

In Deutschland werden in der Leitlinie der Gesellschaft für Transitionsmedizin indikationsübergreifende Empfehlungen für ein Vorgehen bei der Transition gegeben.3 Es wird beispielsweise empfohlen bereits mit dem 12ten Lebensjahr, spätestens aber ab Beginn der Pubertät, bei chronisch Erkrankten mit den Transitionsbemühungen zu beginnen.3 Eine fest im Versorgungssystem verankerte Lösung für Transition gibt es in Deutschland jedoch noch nicht. Abhilfe können Transitionsprogramme, wie das Berliner Transitionsprogramm oder Rhein-Main-Transitionsprogramm bieten.11,12 Fakt ist, dass es noch kein optimales Modell gibt.8 Auch geeignete Mittel zum Messen des Fortschritts sowie Langzeit-Daten zu den Vorteilen einer guten Transition und den Risiken einer schlechten Transition fehlen noch, so der Referent. Das Interesse und die Resonanz bei den teilnehmenden CED-Fachassistenzen auf den Vortrag war groß. Kein Wunder, denn gerade die CED-Fachassistenz ist eine der primären Ansprechpartner*innen für die jungen Patient*innen und kann in ihrer Position Wegbereiter*in und Wegbegleiter*in während der Transition sein.8

Der Übergang von der pädiatrischen Versorgung in die Erwachsenenklinik ist keine triviale Angelegenheit und mit vielen Risiken für die jungen Patient*innen verbunden. Bei jungen Patient*innen müssen andere Umstände und Bedürfnisse als bei erwachsenen Patient*innen berücksichtigt werden. Der Einsatz eines formellen Transitionsprogramms kann die Risiken der Transition verringern und die Versorgung optimieren.

  1. Scheidt-Nave C et al. KIGGS 2007.
  2. Goodhand JR et al.. J Crohns Colitis 2011; 5:509-519.
  3. Gesellschaft für Transitionsmedizin. S3-Leitlinie: Transition von der Pädiatrie in die Erwach-senenmedizin. Version 1.1 vom 22.04.2021.
  4. Goodhand JR et al. Aliment. Pharm. Ther. 2014.
  5. Kugathasen et al. Lancet 2017; 389:1710-1718.
  6. Roda G et al. Ailment Pharmacol Ther 2017; 45(12):1481-1492.
  7. Vernier-Massouille et al. Gasteroenterology 2008.
  8. Van Rheenen P et al. J Crohns Colitis 2017; 11:1032-1038.
  9. Sebastian S et al. J Crohns Colitis 2012; 6(8):830-844.
  10. Nakhla M et al. Pediatrics 2009; 124:e1134-1141.
  11. Berliner Transitionsprogramm. https://www.btp-ev.de (letzter Aufruf 25.03.2022).
  12. Rhein-Main-Transitionsprogramm. https://transitionsprogramm.de/#HX2 (letzter Aufruf 25.03.2022).
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