Alles nur Science-Fiction oder schon Realität?

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Ist die Zukunft schon hier? Eine Frage, der sich Wissenschaftler*innen und Teilnehmer*innen in der Session „Hot and (almost) happening“ beim N-ECCO 2021 gewidmet haben. In den Vorträgen zeichnet sich schnell ein klares Bild ab: Die Forschung zur klinischen Applikation von KI-Systemen ist in vollem Gange und wenn die aktuelle Entwicklung ein Indikator ist, geht das Wachstum weiter, und zwar exponentiell. So wurden mehrere Forschungsprojekte für den Einsatz einer KI in der klinischen Praxis bei CED, z. B. in der endoskopischen Diagnostik, vorgestellt.1–3

Aber was verbirgt sich hinter dem Wort KI und kann die KI das medizinische Fachpersonal ersetzen?

KI – ein viel verwendetes Sci-Fi-Wort, aber was ist das eigentlich?

Die Künstliche Intelligenz oder kurz KI wird in schwache und starke KIs unterteilt.4 Schwache KIs sind in der Lage, spezifische Aufgaben, wie z. B. Zeichen- und Bilderkennung oder auch Schachspielen, selbstständig durchzuführen.4 Von einer starken KI wird gesprochen, wenn die KI in der Lage ist, dem Menschen mindestens ebenbürtig Aufgaben gebietsübergreifend zu adaptieren und zu erledigen.4 Letzteres ist tatsächlich noch Zukunftsmusik.4 In den präsentierten Forschungsprojekten ging es um schwache KIs, die in zwei Modelle unterschieden wurden: das maschinelle Lernen bzw. Machine Learning und das tiefgehende Lernen bzw. Deep Learning. Generell basieren beide Modelle auf komplexen mathematischen Algorithmen und Datensets.4 Grob lassen sich die Modelle wie folgt beschreiben:

Machine Learning

Beim maschinellen Lernen operiert die KI nach der Methode „Wissen aus Erfahrung“. In der Lernphase wird die KI mit einer großen Menge an bereits ausgewerteten Trainingsdaten gefüttert.2, 5 Da das Ergebnis bereits bekannt ist, lernt die KI, welche Muster und Gesetzmäßigkeiten richtig und relevant für das Ergebnis sind.2, 4, 5 Das Gelernte kann die KI im Anschluss selbstständig auf neue Datensätze mit unbekanntem Ergebnis anwenden und selbstständig Lösungen ausgeben.2, 4, 5

Deep Learning

Beim tiefgehenden Lernen wird versucht, ein neuronales Netz, ähnlich dem im Gehirn des Menschen, mit in Schichten angeordneten Algorithmen nachzuahmen.4 In der Lernphase wird die KI mit riesigen Datensets gefüttert und versucht, Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge in den Daten zu erkennen, ohne dass der Mensch etwas vorgibt.3, 5 Sie muss also selbstständig lernen, ohne das richtige Ergebnis zu kennen. Durch menschliche Validierung der Lösungen lernt die KI, welche „neuronalen Verknüpfungen“ richtig oder falsch sind.3 Mit den erlernten Algorithmen kann die KI Daten auswerten und eigenständig zu einem Ergebnis kommen.1, 3, 5

Wie könnte die KI im klinischen Alltag helfen?

Das grundsätzliche Ziel der Wissenschaftler*innen sei es, eine KI zu erschaffen, die tun kann, wozu ein Mensch oder ein*e Mediziner*in nicht in der Lage ist – und das standardisiert, objektiv und schnell, so ein Referent. Rund um den Globus wird viel daran geforscht und es gibt schon erste Feldstudien in der klinischen Praxis, in denen KIs insbesondere:

  • Diagnostik vereinfachen1
  • Standardisierung z. B. in der endoskopischen und histologischen Bewertung ermöglichen6
  • Vorhersagen über z. B. einen möglichen Krankheitsverlauf anhand von Markern und Datensets geben5
  • u. v. m.

Wenn die Vorträge an diesem Tag eines verdeutlichten, dann dass der Einsatz von KI im klinischen Alltag nicht mehr nur eine Träumerei ist. In einer vorgestellten Studie war die KI bereits schneller und genauer in der Auswertung von Videos, basierend auf Kapselendoskopien, als die zum Vergleich herangezogenen Expert*innen.1 In nur 23 Sekunden wertete die KI ein komplettes Video hinsichtlich Ulzerationen und Erosionen mit einer Genauigkeit von über 91 % aus und machte dabei gleichzeitig eine Vorhersage über das Risiko von Blutungen.1 Die Präsentationen zeigten: Erste Schritte sind gemacht, aber es wird noch etwas Geduld brauchen, bis die KI bei CED zum Standard im klinischen Alltag wird.

Fazit

Kann die KI das medizinische Fachpersonal ersetzen? Nein, erfahrene Mediziner*innen können nicht ersetzt werden. Es könnte vielmehr eine Allianz aus Mediziner*in und KI sein.7 Zukunftsmusik? Schon lange nicht mehr, denn die ersten Pilotprojekte zur Implementierung in den klinischen Alltag laufen bereits. Es bleibt spannend abzuwarten, was die nächsten Jahre bringen.

  1. Saraiva Jr. M et al. OP08 Automatic detection of enteric ulcers and erosions in capsule endoscopy using a convolutional neural network. Abstract to Oral presentations: Scientific Session 3: Hot and (almost) happening (2021). 16th Congress of ECCO, July 2-3 & 8-10, 2021, Virtual

  2. Bossuyt P et al. Automatic, computer-aided determination of endoscopic and histological inflammation in patients with mild to moderate ulcerative colitis based on red density. Gut 2020; 69:1778-1786

  3. Takenaka et al. Development and Validation of a Deep Neural Network for Accurate Evaluation of Endoscopic Images From Patients With Ulcerative Colitis. Gastroenterology, 2020; 158(8):2150-2157. doi: 10.1053/j.gastro.2020.02.012

  4. Menzel, C. und Winkler, C. Zur Diskussion der Effekte Künstlicher Intelligenz in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur. Diskussionspapier Nr. 8. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2019

  5. Stafford IS et al. A systematic review of the applications of artificial intelligence and machine learning in autoimmune diseases. npj Digital Medicine 2020; 3:30. https://doi.org/10.1038/s41746-020-0229-3

  6. Lo BZS et al. OP07 Artificial intelligence surpasses gastrointestinal experts in the classification of endoscopic severity among Ulcerative Colitis. Abstract to Oral presentations: Scientific Session 3: Hot and (almost) happening (2021). 16th Congress of ECCO, July 2-3 & 8-10, 2021, Virtual

  7. Schütze, B. und Schlieter, H. Künstliche Intelligenz. Radiologe 2019; 59:1091–1096. https://doi.org/10.1007/s00117-019-00599-9

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