Wenn sich das Leben von heute auf morgen mit der Diagnose CED verändert

Das Team aus Inga Schubert und Dr. med Christian Stolte aus einer Gemeinschaftspraxis in Grevenbroich berichtete von Emil C., einem aktiven 23-jährigen Sportökonomie-Studenten aus Köln.

Der Patient gab im Erstgespräch an, in der Abiturphase erstmals an Bauchschmerzen und gelegentlichen blutigen Durchfällen sowie Kraft- und Energielosigkeit gelitten zu haben. Er vermutete damals den Prüfungsstress als Ursache. Als die Symptome aber wenige Jahre nach dem Abitur wieder auftraten, stellte sich Emil in Grevenbroich vor und erhielt auf Basis der Untersuchungen und Laborergebnisse eine gesicherte Diagnose: Colitis Ulcerosa. Schon beim zweiten Termin hatte er alle möglichen Optionen gegoogelt und kam nun niedergeschlagen und mit unzähligen Fragen zurück in das Gespräch.

Hier empfiehlt das Praxisteam, die Patient*innen nach der Diagnosebesprechung in ein CED-Erstgespräch mit der Fachassistenz zu begleiten. Vorab sollte hierin geklärt werden, ob das Gegenüber gesiezt oder geduzt werden möchte und ob direkt eigene Fragen bestehen, oder die Fachassistenz durch das Gespräch führen soll. Wiederkehrende Fragen seitens der Patient*innen zeigen häufig, dass der Begleitungsbedarf kontinuierlich besteht und die Fülle an Informationen niemals in nur einem oder zwei Gesprächen erfasst werden kann.

Fragen für das CED-Erstgespräch:

  • Wie es dem*der Patient*in jetzt, nach der Diagnosestellung, geht
  • Wie das soziale Umfeld des*der Patient*in aussieht (Familienkonstellation, Beziehung, Freundschaften) – und, ob ggf. Familie und/oder Partner*in in einem Folgegespräch mit einbezogen werden sollen
  • Wie die Arbeitssituation ist (Studium/Schule/(Neben-)Job)
  • Welche Hobbies und Freizeitaktivitäten eine wie große Rolle spielen
  • Wie die Ernährungsgewohnheiten der Patient*innen sind (Tipp: Ernährungsberater*innen als Begleitung empfehlen)
  • Wie es um die Schlafgewohnheiten und -qualität steht
  • Ob es bereits konkrete Lebens- und Zukunftspläne gibt
  • Ob, und wenn ja, welche Sexualität der*die Patient*in auslebt. (Diese Frage kann je nach Einschätzung der Offenheit des Gegenübers gern auch auf einen späteren Zeitpunkt verlagert werden!)
  • Welche weiteren Fragen bestehen

Alle hieraus mitgenommenen Informationen zum*zur Patient*in sollten im Krankenblatt notiert werden, damit der*die behandelnde Arzt*Ärztin diese bei Therapieentscheidung bedenkt.

Ganz besonders an einem Punkt, an dem Patient*innen gefühlt noch das ganze Leben vor sich haben, bedeutet die Diagnose CED einen prägenden Einschnitt. Hier ist ein enormes Maß an Empathie und der Bereitschaft, den Patient*innen stärkend und optimistisch zur Seite zu stehen, gefragt. Allein mit dem Angebot, zuzuhören kann vielen Patient*innen schon deutlich geholfen werden, denn schambehaftete Themen werden von vielen nicht im Freundes- oder Bekanntenkreis thematisiert und so manch einer Person hilft bereits, sich die Sorgen „von der Seele zu reden“.

Für eine gewisse Zeit sei auch eine ungünstige Bewältigungsstrategie wie das Unterdrücken von Gefühlen oder eine passive Grundhaltung in Ordnung. Irgendwann müssen die Patient*innen sich aber in eine positivere Grundhaltung einfinden und die Erkrankung akzeptieren. Eine aktive Suche nach Unterstützung und Informationen seien, so Petra Hartmann im bundesweiten Workshop, Indikatoren für eine geeignete Strategie.

In jedem Kontakt besteht die Möglichkeit, Patient*innen mit Tipps und Tricks zu unterstützen – seien es Facebook-Gruppen, Instagram-Kanäle oder die persönliche Hilfe bei Anträgen wie z.B. auf längere Prüfungszeiten, um häufige Toilettengänge zu kompensieren, betont Inga Schubert.

„Wir wissen heute, dass sich die CED nicht nur auf den Verdauungstrakt des Menschen beschränkt, deshalb sollte man die Patient*innen immer ganzheitlich betrachten. Damit das Leben den Verlauf der Erkrankung bestimmt und nicht die Erkrankung den Verlauf des Lebens.“

Inga Schubert beim GastroDialog MFA 2021

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