Wenn die Familienplanung trotz CED konkret werden soll

Bei einer Online-Umfrage unter CED-Patient*innen (n = 533) gaben 63,2% der Befragten an, das Thema Kinderwunsch sei ihnen wichtig. 47,5% haben ihre*n Arzt*Ärztin sogar aktiv darauf angesprochen. Die Informationen im Internet empfinden zudem nur 11% als zuverlässig.1

Dass das Interesse so groß ist, liegt sicherlich auch daran, dass die Diagnose oft in ein Altersspektrum fällt, in dem möglicherweise auch die Familienplanung ansteht, meint Karin Menzel.

Im N-ECCO Konsensus findet sich die Empfehlung, einen möglichen Kinderwunsch so früh wie möglich bei den CED-Patient*innen zu thematisieren – insbesondere, um die Krankheitsaktivität schon vor einer möglichen Schwangerschaft engmaschig zu kontrollieren.2 Sprungbrett für ein frühes Gespräch kann die Aufnahme der Thematik im Aufnahmebogen sein, berichtet Dr. med. Sebastian Küpper aus seinem Behandlungsalltag.

Frage im Aufnahmebogen/Gespräch
Besteht ein Kinderwunsch oder eine aktuelle Schwangerschaft?

Anmerkung Dr. med. Sebastian Küpper
Die Krankheitsaktivität sollte unter Kontrolle sein, bevor man sich um eine Schwangerschaft bemüht.

Frage im Aufnahmebogen/Gespräch
Gibt es schon Kinder?
Falls ja: Gab es Besonderheiten in der Schwangerschaft, bei der Entbindung oder beim Stillen?

Anmerkung Dr. med. Sebastian Küpper
Auch wenn es gut ist, diese Information zu erheben, ist jede Schwangerschaft einzigartig und eine bekannte Besonderheit ist nicht immer erneut zu erwarten.

Frage im Aufnahmebogen/Gespräch
Wird aktuell verhütet und wenn ja, wie?

Anmerkung Dr. med. Sebastian Küpper
Bei CED-Patient*innen sollten ungeplante Schwangerschaften vermieden werden – wichtig ist deshalb, die Patient*innen darüber zu informieren, dass Durchfälle die Wirkung der Pille herabsetzen.

Frage im Aufnahmebogen/Gespräch
Ist das Stillen geplant?

Anmerkung Dr. med. Sebastian Küpper
Stillen verringert das Erkrankungsrisiko beim Nachwuchs und ist deshalb grundsätzlich empfehlenswert. Aber Vorsicht: Es gibt Therapien, die in die Muttermilch übergehen könnten, deshalb sind immer die aktuelle Fachinformationen bzw. ärztlicher Rat zu beachten.

Dr. Küpper geht in seinem Vortrag auf die häufigsten Bedenken seitens der Patient*innen ein:

  • Das Risiko für Nachkommen sei leicht erhöht, aber: über 90% der Kinder von CED-Patient*innen werden selbst nicht an einer CED erkranken.3 Natürlich sei das Risiko höher, wenn beide Elternteile betroffen sind, aber man könne die angehenden Eltern beruhigen, so seine Einschätzung. Von genetischer Untersuchung des Embryos rät er entschieden ab.
  • In Remission entspräche das Risiko für Fehlbildungen oder -geburten dem von gesunden Müttern.3 Therapien, die nicht per se kontraindiziert sind, sollten deshalb nur dann abgesetzt werden, wenn sie nicht mehr wirken – und auch dann nur in enger Absprache mit dem*der behandelnden Arzt*Ärztin.
  • Im Sinne der optimalen Versorgung der Mutter zum Schutze des Kindes hebt Dr. Küpper noch einmal hervor, dass die Schwangerschaft möglichst in einer entzündungsfreien Zeit geplant werden sollte (3 Monate steroidfreie Remission).
  • Bei perianalen Fisteln oder einem Pouch beispielsweise empfiehlt Dr. Küpper eine Sektio, generell aber – selbst bei Stoma-Patient*innen – eine natürliche Geburt. Denn die Bakterien der Darm- und Vaginalflora sowie der Haut der Gebärenden haben einen wichtigen Einfluss auf die Entwicklung des Immunsystems – und auch die Wehentätigkeit wirkt stimulierend auf das Abwehrsystem des Babys.4 

Die wichtigsten Punkte im zeitlichen Verlauf:5

Vor Empfängnis

  • CED-Aktivität einschätzen und ggf. optimieren
  • Verträglichkeit der Medikation prüfen
  • Folsäure supplementieren

Frühe Schwangerschaft

  • Interdisziplinäre Versorgung
  • Proaktive Überwachung der CED-Aktivität
  • Ernährung und Gewichtszunahme überwachen

Späte Schwangerschaft

  • Fetales Wachstum überwachen
  • Entbindungsmodus besprechen
  • ggf. zeitliche Anpassung der Biologika

Postpartal

  • Thrombose-prophylaxe
  • Stillen empfehlen
  • Medikation fortsetzen

Nicht wenige Patient*innen verbannen jegliche Sexualität aus dem Tagesplan – aus Angst, dass etwas schief geht, berichtet beispielsweise Jennifer Zemke im bundesweiten Workshop. Dazu kommen Begleiterscheinungen wie Fatigue oder Schmerzen und damit oft ein deutlicher Libidoverlust. Alle Workshop-Leitungen sehen hier die Fachassistenz in ihrem ohnehin engen Kontakt zu den Betroffenen als prädestiniert für die Beratung in diesem, für eine Schwangerschaft meist notwendigen, sensiblen Themenfeld. Mögliche Fragen, um ein solches Gespräch zu beginnen, finden Sie im Takeda Toolkit zum Thema Sexualität.

  1. Walldorf et al. Z Gastroenterol. 2021;59:841–850.
  2. Kemp et al. Second N-ECCO Consensus Statements on the European Nursing Roles in Caring for Patients with Crohn‘s Disease or Ulcerative Colitis. JCC. 2018; 12(7):760–776.
  3. Mahadevan et al. Gastroenterology. 2021;160:1131–1139.
  4. Pharmazeutische Zeitung. Kaiserschnitt. Oft nicht der Königsweg. unter: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/oft-nicht-der-koenigsweg/. Zuletzt abgerufen am: 09.11.2021
  5. Laube et al. Ther Adv Gastroenterol. 2021;14:1–18
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