Zuletzt aktualisiert: Lesezeit:

1. Mai
2022

CED: Umweltfaktoren und Ernährung

Neben dem Mikrobiom, der individuellen Immunologie und Genetik der einzelnen Patient*innen kann sich auch die Umwelt auf das Risiko für CED und ihren Verlauf auswirken.1 Bisher gibt es aber nur wenig Daten zu Einflüssen, die über die persönliche Umwelt hinausgehen. So ist beispielsweise nicht bekannt, inwiefern sich die weltweit zunehmende Luftverschmutzung durch Verbrennungsprozesse auf das Risiko für CED auswirkt. Ein Zusammenhang sei nicht auszuschließen, da man heute wisse, dass über die Lunge aufgenommene Verschmutzungspartikel letztlich im Verdauungstrakt landen und ausgeschieden werden, so ein Referent.

Rauchen hingegen ist ein persönlicher Umweltfaktor, der das Risiko für Morbus Crohn aber nicht Colitis ulcerosa erhöhen kann.1,2 Aber welche Umweltfaktoren gibt es überhaupt und über welche Mechanismen könnten sie sich auf CED auswirken? Welche Rolle spielt der Umweltfaktor Ernährung in der aktuellen Therapie bei CED?

Umweltfaktoren und CED

Bei CED gibt es immer wieder Effekte und Beobachtungen, die sich nicht über das Mikrobiom, die Immunologie oder Genetik erklären lassen, so der Referent.1 Diese Lücke könnte durch die Einwirkung von Umweltfaktoren geschlossen werden. Als Beispiel nennt der Referent zeitlich begrenzte, regionale Anstiege in der Inzidenz und Prävalenz von CED bei Kindern und Jugendlichen.1,3,4 Diese seien nicht auf genetische Einflüsse zurückführbar, sondern seien wahrscheinlich durch den Wandel von regional begrenzten Umweltfaktoren erklärbar. Wenn von Umweltfaktoren gesprochen wird, fällt in Expertenkreisen meist der Begriff „Exposom“. Aber was ist das Exposom und wie setzt es sich zusammen? Das ist nicht ganz einfach zu beantworten da das Exposom mehr ein Konzept als ein klar abgegrenzter Begriff ist.5 In der Regel wird versucht mit dem Konzept die ganze Bandbreite an möglichen Einflüssen, die auf einen Organismus während seiner Lebenszeit einwirken, abzubilden. Das können z. B. Einflüsse durch synthetische Chemikalien, Ernährungsbestandteile, psychologische Stressfaktoren, physische Faktoren und die dazugehörige biologische Reaktion des Organismus sein.5 Wichtig sei, die einzelnen Faktoren nicht isoliert voneinander zu betrachten, da sie in Wechselwirkung zu einander stehen, so der Referent. So können z. B. Faktoren wie die Geburtsart, Stillen, Infektionen und die Mikrobiota miteinander assoziiert sein und zusammen CED beeinflussen, so der Referent weiter. In Studien zeigte sich, dass die Muttermilch von Müttern mit CED eine höhere Konzentration an entzündungsfördernden Zytokinen aufweist als bei Müttern ohne CED.6 Welche Auswirkungen das auf das Risiko für CED bei Säuglingen im weiteren Lebensverlauf hat, ist aber noch nicht klar.

Über welche Mechanismen können Umweltfaktoren Einfluss auf CED nehmen? Es sind bereits ein paar Mechanismen bekannt über die ein Einfluss möglich sei, erklärt der Referent. Dazu zählen Veränderungen der Umweltsensoren und der Zusammensetzung der Mikrobiota im Darm, der Durchlässigkeit der Mukosa und Änderungen in der Genexpression.7-11 Die Erforschung der Rolle des Exposoms in CED stehe noch am Anfang und es brauche robust designte Studien um den Einfluss genauer zu untersuchen und zu definieren.2 Eines zeichne sich jedoch bereits heute schon ab – der Einfluss des Exposoms könnte deutlich größer sein als ursprünglich angenommen, resümiert der Referent.

CED: Wir sind was wir essen?

Rund 65 % der CED-Patient*innen sind an Diäten als Mittel zur Verbesserung ihrer Erkrankung, Lebensqualität und Symptome interessiert.12,13 CED-Patient*innen wollen wissen wie sie selber aktiv im Alltag Einfluss auf CED nehmen können. Schon heute werden Diäten als vorbereitende, remissions-induzierende oder therapiebegleitende Maßnahmen in der Praxis mit Erfolg eingesetzt und können den Verlauf von CED beeinflussen.14

Gerade bei Kindern und in geringerem Maße auch bei Erwachsenen CED-Patient*innen kommen spezielle Diäten zum Einsatz.14 So können beispielsweise klinische und symptomatische Remission durch Diäten induziert werden.14,15 Kein Wunder also, dass Diätassistent*innen ein fester Bestandteil des multidisziplinären Teams (MDT) sein sollten. Das stimmt, sei in Deutschland aber leider nur teilweise der Fall, so eine Teilnehmerin. Dabei sind gerade Diätassistenzen darauf spezialisiert die Patient*innen mit evidenzbasierten Informationen zu den Diätformen zu versorgen und in der individuellen Umsetzung kompetente Anleitung zu geben, erklärt die Referentin.14 Für eine optimale Versorgung sei es besonders wichtig die richtige Diät zum richtigen Zeitpunkt einzusetzen und individuell auf die Patient*innen anzupassen. In den Vorträgen zu diesem Thema wurden einige der bereits in der Therapie zum Einsatz kommenden Diäten vorgestellt.

Auswahl an Diäten bei CED14-18

Exclusive Enteral Nutrition (EEN)

  • Nahrungsmittel: Aminosäuren, Oligopeptide oder Proteine als Flüssignahrung
  • Dauer der Diät: 6-8 Wochen
  • Nahrungsvielfalt: Sehr einschränkend

Spezielle Kohlenhydrat Diät (SCD)

  • Nahrungsmittel: Fleisch, Fisch, Eier, laktosefreie Milchprodukte, Gemüse, Obst, Einfachzucker, Nüsse, Samen
  • Dauer der Diät: Induktion 6 Wochen, Erhaltungstherapie unbegrenzt
  • Nahrungsvielfalt: Sehr einschränkend

Crohn´s Disease Exclusion Diet (CDED)

  • Nahrungsmittel: Ausschließlich nicht oder wenig verarbeitete Nahrung, keine Additive, keine künstlichen Substanzen, Ausschluss von beispielsweise Fleisch-, Soja und Milchprodukten
  • Dauer der Diät: Induktion 12 Wochen, Erhaltungstherapie unbegrenzt
  • Nahrungsvielfalt: Sehr einschränkend (Induktionsphase), weniger einschränkend in der Erhaltungsphase

Mediterrane Diät (MED)

  • Nahrungsmittel: Südländische Ernährung, z.B. Fisch, Geflügel, Olivenöl, Gemüse und Blattsalate, Obst, Vollkornprodukte, Nüsse, Rotwein
  • Dauer der Diät: unbegrenzt
  • Nahrungsvielfalt: Wenig einschränkend

Ein Garant für die Wirksamkeit einer Diät auf CED gibt es nicht und kann von Patient*in zu Patient*in variieren. Deswegen sei für den Erfolg einer Diät auch ein individualisierter Ansatz erforderlich, so die Referentin. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Faktor ist die Diättreue der Patient*innen. Denn wenn die Ernährung und das normale Essverhalten durch die Diät zu stark eingeschränkt werden, schaffen es die Patient*innen oft nicht die Diät über einen längeren Zeitraum einzuhalten, so die Referentin weiter. Die „Exclusive enteral nutrition“ (EEN) sei beispielsweise eine sehr effektive Diät, basiere aber komplett auf Flüssignahrung.  Eine Art der Ernährung, die für viele Patient*innen auf Dauer nur schwer durchzuhalten sei. Die mediterrane Diät (MED) hingegen lässt sehr viel mehr Vielfalt in der Ernährung zu und wird in der Regel leichter von den Patient*innen auf Dauer akzeptiert.15 Aber welche Diät nun die richtige ist, muss immer individuell zusammen mit den Patient*innen, der Diätassistenz und dem multidisziplinären Team besprochen und diskutiert werden. Neben den diskutierten Diätformen ist auch die Versorgung mit Mikronährstoffen extrem wichtig, denn eine Mangelversorgung kann die Patient*innen stark schwächen.19 Deswegen ist abgesehen von einer individualisierten Diät das regelmäßige Testen der Mikronährstoffversorgung im Labor sehr wichtig, erklärt der Referent.

Fazit:

Der Einfluss von Umweltfaktoren auf das Risiko von CED wird noch unterschätzt und könnte sich in der Zukunft als deutlich größer als angenommen erweisen. CED-Patient*innen wollen und sollten standardmäßig von CED spezialisierten Diätassistent*innen als Teil des MDT beraten werden. Neben der richtigen Diät sind regelmäßige Laboruntersuchungen der Mikronährstoffversorgung wichtig.

  1. Molodeck AN et al. Gastroenterology & Hepatology 2010; 6(5):339-346.
  2. Piovani et al. Gastroenterology 2019; 157(3):647-659.e4. doi: 10.1053/j.gastro.2019.04.016. Epub 2019 Apr 20.
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  12. Godny L et al. Israeli annual conference of public health 2018.
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  18. Davis C et al. Nutrients 2015; 7:9139–9153.
  19. Crohns and Colitis Foundation: https://www.crohnscolitisfoundation.org/sites/default/files/legacy/science-and-professionals/nutrition-resource-/micronutrient-deficiency-fact.pdf (letzter Aufruf 25.03.2022)

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