Zuletzt aktualisiert: Lesezeit:

1. Mai
2022

Selbstmanagement und Patient*innen-Empowerment

Warum ist Selbstmanagement für Patient*innen so wichtig? Eine mögliche Antwort liefert die World Health Organisation (WHO) mit ihrer Definition von Selbstmanagement: „Selbstmanagement ist die Fähigkeit von Einzelpersonen, Familien und Gemeinschaften, mit und ohne Unterstützung eines Gesundheitsdienstleisters die Gesundheit zu fördern, Krankheiten vorzubeugen, die Gesundheit zu erhalten und mit Krankheit und Behinderung umzugehen.“1 Genau diesem Thema widmeten sich zwei schwedische Expertinnen in dem Satelliten-Symposium „Better together: Empowering patients to self-manage their IBD“. 

In dem Vortrag teilten die Referentinnen ihre wissenschaftlichen Ergebnisse, persönlichen Erfahrungen sowie Tipps aus der Praxis mit und gaben einen Einblick in die Vor- und Nachteile des Selbstmanagements. Dabei stand eine zentrale Frage im Raum: Wie können die CED-Fachassistent*innen ihre Patient*innen dabei unterstützen, eine aktivere Rolle in ihrem Krankheitsmanagement einzunehmen?

Was ist Selbstmanagement und warum ist es wichtig?

Mit den Kontakteinschränkungen während der Corona-Pandemie rückten die Möglichkeiten der kontaktlosen Versorgung mit Telemedizin in den Fokus.2 Eine begleitende Erkenntnis davon sei, dass gutes Selbstmanagement der Patient*innen für eine optimale Versorgung immer wichtiger werde, so die Referentin. Der Begriff Selbstmanagement ist aber nur schwer einzugrenzen. In der Praxis wird Selbstmanagement vom medizinischen Fachpersonal und Patient*innen deswegen oft sehr unterschiedlich definiert.3,4 Für eine optimale Versorgung sei jedoch ein gemeinsames Verständnis von Selbstmanagement unerlässlich, so die Referentin. Der zentrale Faktor für eine gute Versorgung seien vor allem gut informierte Patient*innen, die gewillt sind eine aktive Rolle in ihrem Krankheitsmanagement zu spielen.5 In ihrem Vortrag präsentierten die Referentinnen Selbstmanagement als ein Zusammenspiel von mehreren Komponenten mit einem multimodalen Ansatz.

In der Praxis sollten die Vorteile und Nachteile des Selbstmanagements abgewogen und je nach Patient*in individuell entschieden werden, ob die nötigen Fähigkeiten für Selbstmanagement vorhanden sind oder entwickelt werden können, erklärte die Referentin. Zu den möglichen Vorteilen des Selbstmanagements zählen eine geringere Symptomschwere und verbesserte Lebensqualität, ein besseres Verständnis der CED, mehr Selbstvertrauen und -kontrolle, insgesamt weniger Wartezeiten und Aufwände durch Präsenztermine und damit auch mehr freie Ressourcen für das Fachpersonal in der Klinik für akute Fälle.7 Nachteilig könnten sich von den Patient*innen übersehene Symptome auswirken, die in der Folge zu Fehldiagnosen und am Ende zu einer falschen Behandlung führen könnten.7 Zudem könnte es durch die erhöhte Autonomie der Patient*innen zu Entscheidungen über ihre Versorgung in Eigenregie kommen, ohne dass sie sich dabei von qualifiziertem medizinischen Fachpersonal beraten lassen.7 Gerade die Suche nach Informationen im Internet kann durchaus gefährlich sein, denn es ist für die Patient*innen fast unmöglich herauszufinden, welche Informationen vertrauenswürdig sind. Eines wurde aus dem Vortrag schnell klar: Selbstmanagement ist kein Selbstläufer! Für einen möglichst optimalen Einsatz sei eine gute Vorbereitung und Schulung des Fachpersonals und insbesondere der Patient*innen essentiell, resümierte die Referentin.

Patient*innen-Empowerment: Werkzeugkoffer der CED-Fachassistenz

Viele Patient*innen wollen eine aktivere Rolle in ihrem Krankheitsmanagement spielen, erklärt die Referentin. Aber oft fehlt das Wissen um die Möglichkeiten, die Patient*innen und CED-Fachassistenzen im Selbstmanagement haben.3,4 Die CED-Fachassistenz kann dabei eine der Kernaufgaben übernehmen.5 Sie könne das Aktivierungslevel zum Selbstmanagement ihrer Patient*innen erhöhen, so die Referentin.8,9 So sollen die CED-Patient*innen von einer eher passiven und beobachtenden Rolle hin zu einer aktiveren, selbstmotivierten Rolle übergehen in der sie unter anderem mehr Selbstverantwortung für sich und in der Versorgung ihrer Erkrankung übernehmen.8,9 Aber welche Mittel stehen der CED-Fachassistenz zur Verfügung um dies zu erreichen? Im ersten Schritt sei es wichtig, die Barrieren der Patient*innen für ein erfolgreiches Selbstmanagement zu kennen, so die Referentin. Dies könnten beispielsweise mangelnde Fähigkeiten bei der Problembewältigung, unzureichendes Wissen über CED und ihre eigne Rolle in der Versorgung oder die Abhängigkeit von Eltern sein.8,11 Als primäre Kontaktperson ist die CED-Fachassistenz in einer idealen Position, um für Unterstützung und Schulung zu sorgen.5 Sie sollte die Patient*innen z. B. dabei unterstützen:5,12

  • mehr Wissen rund um CED und die Behandlung aufzubauen
  • mehr Selbstregulierung zu erreichen
  • die Kommunikation bezüglich der Erkrankung zu verbessern
  • die Therapietreue zu erhöhen

Keine leichte Aufgabe. Erschwerend kommt hinzu, dass die Umstände und damit auch die Bedürfnisse je nach Patient*in variieren können und entsprechend berücksichtigt werden sollten.13 Beispiele dafür können persönliche Präferenzen, Alter und Anforderungen im Alltag oder im Beruf sein. Wie aber lässt sich solch eine komplexe Situation bewältigen? Mit einem individualisierten und ganzheitlich gestalteten Selbstmanagementplan, erklären die Referentinnen. Als Hilfestellung dazu präsentierten sie eine Checkliste, die als eine Art Leitfaden dienen kann.

Beispiele dafür wie Patient*innen in der Praxis unterstützt werden können, sind unter anderem sogenannte Peer-Mentoring-Programme, Fragebögen zur klinischen Bewertung oder der Einsatz von E-Health Plattformen und telemedizinischen Apps.5,14,15 Gerade Letztere setze sie schon in einem Pilotprojekt mit Erfolg ein, so die Referentin. Die Vorträge an diesem Tag zeigten deutlich, dass mehr Selbstmanagement wahrscheinlich ein wichtiger Baustein der Versorgung der Zukunft sein wird. Zum Abschluss ihres Vortrages appellierten die Referentinnen, den Mut zu haben, sich von altbekannten Routinen zu lösen und die Patient*innen dabei zu unterstützen, sich selbst zu helfen. Dazu zähle auch, Vertrauen zu haben, wenn die Patient*innen eine aktivere Rolle in ihrem Krankheitsmanagement übernehmen wollen.

Fazit: 

Eine tragende Säule für optimales Selbstmanagement sind gut geschulte Patient*innen, die über die Erkrankung und Behandlung umfassend informiert sind. Gerade die CED-Fachassistenz ist hier in ihrer Rolle als zentrale*r Ansprechpartner*in gefordert. Sie sollte die Patient*innen und ihre individuellen Umstände und Bedürfnisse verstehen lernen. Dann sollte gemeinsam mit den Patient*innen ein individuell angepasster Selbstmanagementplan erarbeitet und durch qualifizierte Hilfe zur praktischen Umsetzung gebracht werden.

  1. World Health Organisation. https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/self-care-health-interventions (letzter Aufruf 25.03.2022).
  2. Ärztezeitung. Fernbetreuung von Patienten boomt in der Corona-Pandemie. https://www.aerztezeitung.de/Wirtschaft/Fernbetreuung-von-Patienten-boomt-in-der-Corona-Pandemie-414414.html (letzter Aufruf 25.03.2022).
  3. Crohn´s and Colitis UK. Selfmanagement: Position statement, 2018. https://www.crohnsandcolitis.org.uk/improving-care-services/self-management/self-management-position-statement (letzter Aufruf 25.03.2022).
  4. Lovén Wickman U et al. Gastroenterol Nurs 2016; 39:121—128.
  5. Kemp K et al. J Crohns Colitis 2018; 12:760—776.
  6. Vernon-Roberts A et al. Gastrointest Disord. 2021; 3:61—77.
  7. British Medical Association. Self-care Question and Answer 2019. https://www.bma.org.uk/media/1936/bma-plg-selfcare-nov-19.pdf (letzter Aufruf 25.03.2022).
  8. Hibbard J and Gilburt H. The Kings Fund 2014. https://www.kingsfund.org.uk/sites/default/files/field/field_publication_file/supporting-people-manage-health-patient-activation-may14.pdf (letzter Aufruf 25.03.2022).
  9. Hibbard J et al. Health Serv Res 2004; 38:1005—1026.
  10. Ahmed AH et al. Holist Nurs Pract 2016; 30:39—46.
  11. Plevinsky JM et al. Clin Exp Gastroenterol 2016; 9:259—267.
  12. Fiorino G et al. J Crohn´s Colitis 2020; 14:1037—1048.
  13. Lenovska KP et al. J Clin Nurs 2013; 23:1718—1725.
  14. ClinicalTrials.gov. https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT03827109 (letzter Aufruf 25.03.2022)
  15. Lovén Wickman U et al. Int J Nurs Stat 2019; 89:1—7.

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